Ein Mensch Als Präsident: Zwischen Wollen Und Können

Es wäre übertrieben, von einer Politikverdrossenheit des Präsidenten zu sprechen. Aber was man in Jodi Kantors wunderbar erzähltem und mitreissendem Buch «Die Obamas» liest, ist eigentlich eine Bestätigung dessen, was man hier und da schon gelesen hat und zu wissen glaubt: Da war einer, der hinauszog, Dinge gründlich zu ändern, besonders die Art und Weise, wie man in Washington Politik treibt.

Nicht, dass er nun gescheitert ist. Aber drei plus Jahre nach seiner spektakulären Wahl zum Präsidenten der Vereinigten Staaten im November 2008 und besonders nach den letzten Zwischenwahlen zum Kongress, nach denen die Administration wegen jeder kleinen Gesetzgebung gegen die republikanische Mehrheit des Repräsentantenhaus hart kämpfen muss, haben Obama zur Einsicht, nachgeben und kurzkommen gezwungen, ja zum Aufgeben von vielen seiner grossen Pläne. Und am Ende, jetzt wo er für seine Wiederwahl im nächsten November kämfen muss, glauben viele seine Anhänger, dass doch, «Ja, Wir Können Es», einiges, aber nicht wirklich viel.

Und das ist nicht so ungewöhnlich oder gar schlecht. Gegesätzliche Gruppen-Interessen, Parteipolitik, Lobbys… Wie soll man all das hinter sich einigen, um grosse Veränderungen durchzusetzen? Vielleicht sind das die eigentlich spannenden und notwendigen Komplexitäten der Demokratie, wo sich der Lauf der Dinge nicht nach den Wünschen einer Person oder Gruppe richtet.

Anfangs war Michelle eher skeptisch gegenüber Washington. Nun scheint sie den Präsidenten ermutigen zu wollen, weiterzumachen trotz aller Frustration seit der Amtsübernahme fast genau vor drei Jahren.

Kantors Buch basiert auf dutzenden, vielleicht hunderten von Interviews mit Quellen, die etwas Relevantes zur Sache zu sagen hatten.

Ich muss zugeben, dass ich während der ganzen Lektüre des Buches niemals aufgegeben habe, an November 2012 zu denken. Also, wird er wieder gewählt oder nicht? Das macht dieses Buch besonders aktuell und zeitgemäss. Aber das Buch ist nicht nur über Politik. Es ist auch – und vielleicht mehr über die Menschen Barack und Michelle Obama und wie sie Washington und das höchste Amt der Welt als Menschen, als Bürger der Vereingten Staaten erlebt haben und wo sie jetzt stehen.

Und das ist das Besondere der politischen und unterhaltsamen Erzählerin Jodi Kantor, auch ein Grund, warum ich nur drei Tage brauchte, dieses Buch fertigzulesen – abgesehen von der ausgezeichneten Übersetzung.

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